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wie erkläre ich das nur dem standesamt?

okay, ich hab mich jetzt nochmal etwas mehr eingelesen: einmal in die gesetzestexte und einmal in die vielen unterlagen, die mit dem beschluss des bundesverfassungsgerichts vom 10. oktober 2017 zusammenhängen.

 

los geht es. hier mein entwurf:

 


liebes standesamt,

 

wir müssen reden. offenbar haben wir unterschiedliche vorstellungen von der art und weise, wie der eintrag berichtigt werden kann.

 

ich fasse die ausgangslage nochmal kurz zusammen:

  • als ich geboren wurde, erlaubte der staat nur zwei inhalte für den eintrag "geschlecht".

  • es ist für eltern eine gesetzliche pflicht, kurz nach der geburt über den eintrag zu entscheiden.

  • seit 2013 gibt es dabei die variante: kein eintrag unter "geschlecht" (leerstelle).

  • keiner der inzwischen verfügbaren inhalte für den eintrag "geschlecht" trifft auf mich zu. die beiden alten sind es nicht. der neue ist mir inhaltlich (noch?) fremd. einen falschen eintrag muss ich nicht mehr hinnehmen, sagt das bundesverfassungsgericht. spätestens nicht mehr nach dem 31.12.2018 (1 bvr 2016/19 rn. 66).
  • von einer leerstelle im personenstandsregister geht die welt nicht unter, theoretisch kann der staat ganz auf eine registrierung von "geschlecht" verzichten. sagt das bundesverfassungsgericht (1 bvr 2016/19 rn. 36). 

ich verstehe Ihren letzten brief so, dass Sie grundsätzlich gewillt sind, die berichtigung meines datensatzes vorzunehmen. aber Sie finden wohl das verfahren nicht ganz passend: Sie schreiben mir,

  1. dass eine berichtigung ohne gericht nach pstg §47 nicht ginge, sondern ein gerichtliches verfahren nach pstg §48 durchgeführt werden müsse.
  2. und Sie wollen meine eltern sprechen. für einen moment dachte ich tatsächlich, der brief sei von der schule und nur besonders lange unterwegs gewesen.

ich will es kurz machen: zu beidem sag ich hart, aber herzlich: nein. widerspruch.

 

zu 1.

 

ich verlange ein behördliches verfahren und ich denke ich hab da ein recht drauf. es ist preiswert, es geht schnell, es geht für den staat ja auch nicht mehr um viel. (siehe oben: für den staat ist der eintrag sozusagen obsolet, sagt das oberste gericht. ich glaube, die kennen sich mit gesetzen ganz gut aus.)

 

ich hoffe doch sehr, dass Sie mich nicht wegen meines geschlechts benachteiligen wollen, im vergleich zu den menschen, bei deren update Sie pstg §45b anwenden?

 

zu 2.

 

auf keinen fall möchte ich, dass Sie meine eltern kontaktieren. ich bin volljährig. tsg §3 und auch pstg §45b zeigen, dass hierzulande änderungen des geschlechtseintrags von mündigen menschen vorgenommen werden, ohne die eltern zu befragen. das steht auch sinngemäß in dem gerichtsbeschluss (1 bvr 2016/19 rn. 65) - die gesetzgebenden sollen eine möglichkeit schaffen, damit die betroffenen personen etwas anderes, als '"weiblich" und "männlich" wählen können. 

 

und falls Sie denken, meine eltern hätten "wirklich" was falsch gemacht, damals... als ich geboren wurde... so möchte ich doch kurz nochmal darauf hinweisen, dass es das gesetz des staates war, das ihnen zwei dinge auferlegt hat:

  1. sie mussten, obwohl wir uns noch nicht lange kannten und ich mich zu jener zeit auch nur sehr undeutlich artikulierte, eine entscheidung treffen für den eintrag. (mit diesem dilemma leben eltern bis heute...)
  2. sie mussten aus zwei staatlich vorgegebenen möglichkeiten wählen. (nicht, dass "mehr auswahl" das dilemma von eltern aus punkt 1 lösen würde...)

Sie müssen doch zugeben, dass es da geradezu grotesk ist, wenn Sie als quasi-vertretung des staats, der diese gesetze so gemacht hat, die eltern jetzt noch vor gericht oder aufs amt bitten wollen, um sich zu erkundigen: "wie kam es eigentlich damals zu dem eintrag?"  - die antwort kann nur sein "weil es nicht anders ging". da kommen keine neuen informationen bei einer elternanhörung auf den tisch. abgesehen davon, dass Sie damit in den familienfrieden eingreifen oder wenn der gestört ist, einen kontakt erzwingen würden. darüber schomal nachgedacht?

 

was also tun?

 

es gibt jetzt sage und schreibe 4 verschiedene verfahrenswege für berichtigungen des eintrags "geschlecht" und pstg §48 scheint der "joker" für alles zu sein, was weder im tsg, noch in den pstg-§§ 45b und 47 abgedeckt ist. darum verstehe ich, dass Sie darauf hinauswollen. aber wie gesagt: weil pstg §45b ein behördliches verfahren eingeführt hat, denken Sie mal an den gleichbehandlungsgrundsatz des grundgesetzes artikel 3 (siehe 1 bvr 2016/19 rn. 50).

 

auch wenn dem staat die korrekte registerführung beim "geschlecht" mittlerweile egal sein kann - ich habe das recht, von einem falschen eintrag wenigstens ab jetzt verschont zu werden. dass das mein grundrecht ist, hat das verfassungsgericht in rn. 36 festgehalten. spätestens ab dem 01.01.2019 mussten die gesetze entsprechend geändert oder ergänzt werden (1 bvr 2016/19 rn. 66). dafür hatte die bundesregierung zwischen 2011 und dem 12. juli 2017 alles mögliche erarbeitet und vorbereitet (1 bvr 2016/19 rn. 5-7 des gerichtsbeschlusses und bmfsfj.de-abschlussbericht vom 12.07.2017). 

 

standesamt - do your magic!

 

ich warte immer noch auf die themen oder fragen, die Sie in der anhörung von mir beantwortet bekommen möchten. habe beide male, als ich Ihnen schrieb, danach gefragt. aller guten dinge sind drei: was wollen Sie wissen, ehe Sie den eintrag berichtigen? die unterschriften-prüfung beim örtlichen standesamt führe ich selbstverständlich durch. sonst noch etwas?

 

grüße
unterstr_ich


okay. fertig. was haltet Ihr davon? schreibt mir gerne in die kommentare oder über das kontaktformular. vier augen sehen mehr als zwei.

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