ich bin ein unterstrich

und ich möchte, dass das auch korrekt vermerkt ist

 

im personenstandsregister bewahrt der staat daten über mich auf. als ich geboren wurde, wurde dort ein geschlecht angegeben. das ist pflicht für alle, wenn sie hier geboren werden.

 

es gab damals nur zwei auswahlmöglichkeiten. sie mussten also einen davon auswählen. beide sind auf mich unzutreffend.

inzwischen gibt es für den eintrag vier möglichkeiten: die beiden alten kategorien und seit 2018 "divers". schon seit 2013 ist es möglich, dort keinen eintrag zu haben.

 

grundsätzlich sollte es für andere keinen unterschied mehr machen, was dort vermerkt ist. schon gar nicht für recht & gesetz. die wege allerdings, um den eintrag zu korrigieren, sind echt komisch, gerade wenn es um das feld "geschlecht" geht. so, als wollte der staat gar keine korrekten daten über mich aufbewahren?

 

über meinen (spoiler: absurden) weg, dem staat abzuverlangen, diesen dateneintrag aus meinem personenstandsregister zu nehmen, der zum einen falsch sind und zum anderen ohnehin keine rolle spielen dürften, blogge ich hier.

 



frischester ein_trag ins blog... bitte sehr!

ich bin nicht trans

wir müssen reden. über "ich bin trans".

"trans" ist ein akt der aneignung. ein community-begriff. eine facette des eigenen menschseins, die beschrieben werden soll. ein ausweis gegenüber anderen, die ähnliches erleben und vor allem in gleicher art und weise von recht und-oder medizin begrenzt und abgesondert werden. und von der gesamt-gemeinschaft.

in der 2018 vorgestellten überarbeitung der katalogs zu den krankheiten und gesundheitsthemen (icd) hat die who sich vom "konzept trans" verabschiedet. es wird keine psychische störung mehr angenommen, die nur durch operationen, hormone und soziale veränderungen (name, kleidung, habitus) gelindert werden könnte. also keine wegstrecke mehr, von a nach b. von einem geschlecht in ein anderes. "trans" steckt in transport, transformation, transition. es heißt: "jenseits von...". es sagt aus, dass es einen ausgangspunkt gab und eine zielregion.

 

klar, ich habe gerade verschiedene veränderungen auf der agenda, probiere aus, wachse hinein. das sind tief in mir drin eine neue ruhe und selbst-sicherheit gebende veränderungen. ich liebe sehr, was seit einer weile in verschiedenen schrittchen und schritten, mit angst und erleichterung, liebe und verlust, in meinem leben los ist. ich mache es. es sind aktivitäten. es sind erfahrungen und die bewerte ich. es sind gespräche, austausch, recherche.

weil sie so sehr mit meinen ganz persönlichen fundamenten zu tun haben, sind diese veränderungen sehr, sehr relvant für mich. aber sie verlaufen, wie ganz viele veränderungspozesse, die ich schon gemacht habe:

  • etwas passt nicht (mehr) oder ein gedanke manifestiert sich
  • ich überlege, wie es mir damit geht. entweder, etwas wegzulassen oder zu verändern. oder etwas zuzulassen oder auszuprobieren.
  • ich spüre in mich hinein. bei der vorstellung, beim ausprobieren, beim wagnis.
  • für manches muss ich erstmal recherchieren und einige dinge mit anderen leuten klären.

das ist, wie bei einer beruflichen entscheidung. das ist wie bei einem todesfall in der familie. das ist, wie bei einer neuen verliebtheit. oder in einer unglücklichen beziehung.

der scheinbare unterschied ist, dass diese prozesse fast allen erwachsenen menschen etwas "sagen", dass sie davon eine idee haben. dass sie sie selbst schon erlebt und prozessiert haben.

aber ganz ehrlich? daraus zu schließen, wir seien uns deswegen ähnlich und wir seien uns deswegen besonders unähnlich, weil ich meinen geschlechtseintrag aus dem geburtenregister löschen will.

es gibt ne menge menschen, die auch mit dem standesamt direkt oder über gerichte ihre daten ändern. und ganz sicher teilen wir diese erfahrung. auf unsere jeweilige weise. das macht uns nicht zur gruppe, es ist ein formal-fiktives "uns". wie "kunden, die dies kauften, kauften auch..."

 

wir können, wenn wir wollen, uns daraufhin als gruppe verabreden.

 

ich weiß schon, was dann kommt. ich war/bin teil anderer gruppen, die so entstehen: als erklärte minderheit und menschen mit abweichung vom scheinbar normalen und erwartbaren. auf eine art und weise, der immer so ein gefühl von krankheit, von psychologischer besonderheit anhaftet. immer dieses "erzähl mal". oder dieses "das hab ich dir gar nicht angesehen". oder "find ich sonderbar, könnte ich nicht".


ich glaube, es ist kein zufall, dass ich gerade jetzt in diesem prozess bin und nicht schon vorher angefangen habe. ich bin mir sicher, dass es einige entwicklungen draußen in der welt brauchte, damit ich meine entwicklung nun in die hand nehmen kann.

 

die entwicklung von sprechweisen. von erzählweisen. die erreichbarkeit von erzählungen.

 

die schrittweise depathologisierung. der abschied vom binären geschlechterverständnis. beides haben noch nicht alle menschen durchlaufen, aber es waren genug, dass ich es mitbekam.

 

und ich habe auch einige entwicklungen in meinem persönlichen, individuellen leben, die das begünstigt oder forciert haben. der prozess war und ist nie allein von mir gesteuert und befeuert. und er war und ist nie allein von veränderungen in der welt da draußen in bewegung gekommen oder gehalten worden.

 

es ist ein unauflösbar-schönes geflecht von mir, meinen lebenswegen, den menschen, die ich ganz direkt kennengelernt hab. oder jene, die als unüberschaubares geflecht an der icd-entwicklung, an den verbesserungen in der gesetzgebung usw. usf. mitgewirkt haben.

 

die who hat sich von "trans..." verabschiedet.

 

ich brauche keinen begriff, der eine umfangreiche definition transportiert. ich weiß, dass wir fast nichts wissen, was uns zu unserer körperlichen selbstwahrnehmung bringt. wir wissen nicht, was uns zu einer klarheit verhilft, ob wir _ oder # oder ~ "sind".

ich kann sagen, wie es mit mit meinem körper geht. was meine gefühlswelt in verschiedenen situationen sagt, zum beispiel wenn menschen mich mit # oder ~ anreden. oder wie es mir geht, wenn andere kein pronomen verwenden. (oh! so! gut!)

 

dort sind die alltagsdinge, die mich mit anderen verbinden oder die alltagsdinge, die meine persönliche balance und belastung betreffen. das sind dinge, die jeder andere mensch kennt und die wir gemeinsam haben: dass über uns geredet wird und das "wie" entscheidend ist. dass wir den unterschied spüren zwischen einer stimmigen situation und einer unstimmigen, zwischen anstrengend und leicht, zwischen schön und schrecklich, zwischen eigenem und fremdem.

ich bin nicht "trans". es ist ein wort, das eine grausame historie hat. ich will es nicht aufhübschen für all jene, die es benutzt haben, um zu entmenschlichen, abzusondern und die aus ihrer macht gewalt gemacht haben. ich will nicht tanzen und strahlen dazu, ich will es mir nicht anziehen. und ich will es denen, die nicht zu dieser formal-fiktiven gruppen gehören, die arbeit machen, dass sie lernen. dass sie nachdenken. dass sie nicht meinen, ein wort zu hören und begriffen zu haben. und ich dasrf dann wieder stundenlang und jahrelang die damit verbundenen vorurteile abbauen, erklären und trotzdem ändert sich in meiner lebenszeit nicht genug, als dass das absondern, das othering aufhört.

"ach, bist du trans?" werden einige vielleicht fragen.

 

"was genau meinst du damit?" werde ich zurückfragen. denn ich bin ein unterstrich. die wortlosigkeit, die bliebt, als ich alles, was nicht zu mir passte, wegließ. vielleicht finden wir irgendwann eine sprache dafür. bis dahin erzähle ich dir, was ich erlebt habe. und will wissen, was du erlebt hast. ich erzähle dir, was ich denke und fühle. und du erzählst mir, was du fühlst und denkst. und wir lernen uns ein bisschen kennen. es ist langsam. so ist es eben.

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jetzt zur blog_über:sicht



Das bin ich

das stimmt überhaupt nicht. aber jimdo hatte da die überschrift und dieses nette bild. ich hab es einfach mal so stehengelassen.

 

ich bin ein unterstrich.